Über das Leben und für das Leben gelernt

51 Marpinger Schüler und Schülerinnen der Stufe 11 absolvierten ein

vierzehntägiges Sozialpraktikum

Zwei Wochen eine ganz andere Welt entdecken und sich deren Herausforderungen stellen: Für die 51 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 11 der Marpinger Gemeinschaftsschule bedeutete dies nicht die Reise in ferne Regionen der Welt, sondern zu Menschen, deren Beeinträchtigungen besondere Zuwendung erfordern.

Seit zwölf Jahren zählt das Sozialpraktikum in der Klassenstufe 11 zum Pflichtprogramm der angehenden Abiturienten und Abiturienten der Marpinger Schule. „Wir waren anfangs etwas zurückhaltend, was die Verpflichtung anging, zwei Wochen die Schulbank mit dem Seniorenheim oder einer anderen sozialen Einrichtung zu tauschen“, erklären Leandro, Lina und Viktor. Doch nach den zwei Wochen sind sich alle einig: „Man lernt etwas, was so nicht auf dem Stundenplan steht: Einführungsvermögen, Geduld, die Welt aus der Perspektive beeinträchtigter bzw. benachteiligter Menschen zu betrachten“, ergänzt Béla. Treppen, Bordsteine, oder den Straßenverkehr zu bewältigen, sich selbst zu versorgen, einzukaufen, selbstständig zu lernen und zu arbeiten sind keine Selbstverständlichkeiten, wie es die jungen Leute im Alter von 16-18 Jahren in den zwei Märzwochen erfahren haben.

Mit Offenheit, viel Einfühlungsvermögen und Selbstkritik meisterten sie manch heikle Situation, die sie bei dem Besuchen ihrer Lehrerinnen und Lehrer reflektierten. „Und davon gab es einige“, meint Abdullah, der zusammen mit Lea, Tom, Lina und Matteo Einblicke in die Pflege im Marienkrankrenhaus St. Wendel erhielt. Silas war zwei Wochen in den inklusiven Werkstätten des Unternehmens REHA in Lebach: „Regelmäßige Arbeitszeiten, das Gefühl, gebraucht und wertgeschätzt zu werden ist für alle Menschen wichtig“. Er betreute motorisch und geistig beeinträchtigte Menschen und machte die Erfahrung, dass „gute Arbeit“ abwechslungsreiche, sinnstiftende Arbeit und bereichernde zwischenmenschliche Kontakte bedeuten. René, der sein Praktikum im Seniorenheim Tholey absolvierte, erklärt, dass man lernen muss, Hilfe anzubieten und sensibel zu reagieren. „Sehr hilfreich war es, direkt und offen auf die alten Menschen zuzugehen und immer ein Gespräch zu suchen, sei es über das Wetter, über das Essen oder das Programm für den Tag“, hebt er hervor. Paula war in der Änne-Meyer-Schule in Baltersweiler eingesetzt, Luisa in der integrativen Kinderförderung. Ihre Geduld in der Arbeit mit Kindern mit besonderem Förderbedarf wurde auch von den Betreuerinnen geschätzt. „Jungen und Mädchen mit Beeinträchtigungen benötigen zwar länger, doch auch sie machen Fortschritte und zeigen ihre Freude und ihren Stolz umso schöner, wenn es geklappt hat“, erläutern die beiden.

Erstmals in ihrem Leben hatten Nikolas, Erina und Adrian in den Seniorenheimen Eppelborn und Tholey Kontakt zu Demenzkranken, was ihren Blick auf das Leben gewandelt hat. Mariella, Jannis und Eurona wählten eine andere Gruppe aus: Sie waren in Kindertagesstätten und Ganztagesschulen eingesetzt und erfuhren, welche Herausforderung es ist, sich auf die vielen unterschiedlichen Kindercharaktere einzustellen. „Man braucht dafür ein großes Einfühlungsvermögen“, meint Jannis, und Mariella ergänzt, dass man auch ständig konzentriert sein müsse und gefordert sei, wenn die Kleinen mit Wünschen und Fragen auf einen zukommen.  Auch Jamie und Melanie wurden mit ungewohnten Situationen konfrontiert. In der Bosenbergklinik St. Wendel trafen sie auf Menschen, die gerade eine schwere Erkrankung oder OP hinter sich hatten und machten die Erfahrung, wie wertvoll dann praktische Hilfe und ein offenes Ohr sein können.

Natürlich konnten die Marpinger Schülerinnen und Schüler in den zwei Wochen nur einen kleinen Einblick erhalten. Doch es geht beim Sozialpraktikum ja auch nicht um die Berufswahl, sondern und die Erfahrung im Umgang mit Menschen in ganz besonderen Situationen und nicht zuletzt um sie selbst. Daher müssen alle einen schriftlichen Erfahrungsbericht abgeben, worin auch brenzlige, herausfordernde Situationen aufgegriffen und reflektiert werden. Im Ethik- und Religionsunterricht werden diese dann präsentiert, damit alle die Gelegenheit bekommen, sich hierüber Gedanken zu machen. „Wir werden auch zukünftig angehenden Abiturientinnen und Abiturienten die Chance bieten, sich und die Gesellschaft außerhalb des schulischen Rahmens zu erfahren. Das ist eines unserer besonderen Merkmale“, betont Schulleiter Michael Sticher. „Wir wollen nicht nur auf die Fächer und Noten schauen, sondern den ganzen Menschen und die Gemeinschaft im Blick haben.“